Von Verletzlichkeit und kleinen Geschenken

Es ist schwer, sich zu öffnen. Echt zu sein. Sich mit der Welt zu teilen. Sich der Welt mitzuteilen. Man wird verletzlich dadurch. Angreifbar. Man lässt Fremde rein, die mit wenigen unüberlegten Worten pures Chaos verursachen können in der eigenen Psyche. Dabei kennt man diese Leute doch gar nicht. Und sie kennen einen selbst nicht. Können sich gar kein berechtigtes Urteil erlauben. Warum haben dann so wenige Worte so viel Gewicht? Warum haben sie so viel mehr Gewicht als die guten Worte all der Nicht-Fremden, die man schätzt und mag? Spannend!

Und wie geht man jetzt damit um? Augen zu und durch? Einfach ein dickes Fell wachsen lassen, damit es abprallt? Schwierig, wenn der Körper auf absolute Alarmstufe stellt und sich in Gefahr fühlt. Wenn man Angst hat. Richtig heftige Angst, die Übelkeit macht und einen nur noch flüchten, sich verkriechen, alles hinschmeißen lässt. Krass. Wegen ein paar einzelner Worte von einer fremden Person, die mich überhaupt nicht kennt und nur zufällig irgendein Fragment aufschnappt und das zu ihrem Bild von mir macht.

Das sind ganz, ganz tief sitzende Mechanismen, die da greifen. Überlebensstrategien der ersten Stunde, die auch in uns Menschen genauso weiter wirken. Ich weiß das. Ich spüre, was da passiert und auf einem rationalen Level verstehe ich es. Aber das lässt es nicht weniger heftig sein. Deswegen ist es immer noch da und will gefühlt und angesehen werden. Und wenn ich das gerade nicht packe? Wenn mich das überwältigt? “Es ist ok, wenn du jetzt gerade Coping-Strategien brauchst. Gesteh’ dir das zu. Verzeih’ dir dafür!”, sagt ein lieber Freund. “Such dir Sicherheit und pass’ auf dich auf.”

Und dann ist da Sam, während ich seine Worte höre, der mir seinen Kopf schwer aufs Bein legt und mich unverwandt ansieht. Und dann liegen wir umeinander gekringelt in einem Hundebett und er beschützt und hält mich. Und ich kann weinen und es loslassen. Das braucht der Körper. Loslassen, nicht wegmachen und verdrängen.

Irgendwie hab ich es dann doch noch geschafft, mich für einen Spaziergang aufzuraffen. Im vollen Management-Modus, mit Schleppleinen und ohne Ansprüche. Und dann gehen wir einfach. Erst bin ich angespannt, fahrig, pampig. Und dann finden wir einen einsamen Fußball, mitten auf dem Feld. Ich kicke ihn für ein paar Minuten mit den Weg entlang, Sam rettet ihn mehrmals aus dem Bach, Lexi umklammert ihn beim Erkunden unfassbar witzig mit allen vier Füßen gleichzeitig, was sie im Schlamm landen lässt. Ich muss lachen und schon ist alles leichter. Dann kommt ein Regenschauer, obwohl der Himmel fast blau ist und es riecht plötzlich kurz nach Sommer. Wie ich Sommerregen liebe! Und dann ist da plötzlich Sonne! Nicht lange, aber so lange vermisst. Ich merke, wie mein Körper immer weicher und leichter wird, wie wir alle anfangen, miteinander zu schwingen und zu fließen. Das letzte kleine Geschenk kommt dann in Form eines Lasters am Horizont, der einen winzig kleinen Auto-Anhänger hinter sich herzieht. So ein witziger Anblick! Danke, Welt, für diese kleinen Geschenke an der richtigen Stelle.

Jetzt werde ich mal versuchen, die Bruchstücke meiner ganzen Motivation der letzten Wochen aufzusammeln und sehen, wie sie sich wieder zusammenfügen lassen. Schritt eins: Dieser Text, der raus wollte! Augen auf und durch!

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Lexi und das Nichts-Tun

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